Psychische Krankheiten: Warum ich mich öffentlich dazu bekenne

Auf dem Bild steht: "Ich bin psychisch krank! Und alle wissen es!" Daneben ist eine Illustration von einem Gehirn mit Armen und Beinen zu sehen, das einen Superheldenumhang und eine Superheldenmaske um die Augen trägt.

TW: Psychische Krankheiten, Corona-Pandemie (erwähnt)

Eigentlich wollte ich diesen Artikel bereits im August 2023 veröffentlichen. Er war sogar schon teilweise geschrieben.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt an einer Studie teilgenommen, bei der Menschen interviewt wurden, die Beiträge im Internet, insbesondere Social Media, teilen, die von der Gesellschaft als eher „negativ“ oder „unvorteilhaft“ wahrgenommen werden. Sprich, Beiträge, die Farbe bekennen und die Realität abbilden und nicht, wie meist üblich, ein perfektes Bild vermitteln.

Die Leiterin dieser Studie war über LinkedIn auf mich aufmerksam geworden, wo ich über meine damals vorherrschende schwere depressive Episode berichtet hatte.

Nach dem Interview war ich mir sicher, dass ich weiterhin über das Thema Mental Health aufklären und mich für Betroffene einsetzen wollte. Also begann ich, diesen Blogartikel zu entwerfen.

Aber dann hat mich der Mut verlassen.

Ich hatte mir die neuste Podcast-Folge eines erfolgreichen Unternehmers, dessen Arbeit ich sehr schätze, angehört. Sie drehte sich um Dinge, die man unbedingt vermeiden sollte, wenn man als Selbstständige*r finanziell erfolgreich sein möchte.

Und eine seiner Thesen war, dass „negative“ Beiträge und Geständnisse im Internet einem massiv das Geschäft versauen und man es deshalb tunlichst unterlassen sollte.

„Heiliger Strohsack!“, dachte ich. „Um ein Haar hätte ich mich ins Aus katapultiert …“

Als Konsequenz verwarf ich den Blogartikel und versuchte, nur noch „Positives“ zu posten. Denn schließlich wollte ich mir ja selbst nicht die Karriere versauen.

Aber es hat mich nicht losgelassen. Und ich habe darüber nachgedacht. Lange und ausführlich.

Und schließlich habe ich meinen Entwürfe-Ordner aufgerufen und nach diesem Artikel gesucht. Er hatte bereits ein bisschen Schimmel angesetzt und roch wie Socken nach einem Marathon bei 35 Grad im Schatten.

Ich habe ihn erst mal gesäubert und desinfiziert, ehe ich mich daran machte, ihn weiter zu bearbeiten und schließlich fertigzustellen.

Das war ein Kampf, denn zum Zeitpunkt des Entstehens und der Veröffentlichung befand ich mich in einer erneuten schweren depressiven Episode. Dass der Beitrag trotzdem fertig wurde und du ihn jetzt lesen kannst, ist eines dieser kleinen Wunder, die wir manchmal erleben und viel zu leicht übersehen.

Hier kommt also, wenn auch mit etwas Verspätung, die Antwort auf die Frage: Mim, warum um Himmelswillen erzählst du öffentlich, dass du einen an der Klatsche hast?!

Was bisher geschah

Für alle, die mich nicht so gut kennen, möchte ich zunächst kurz auf meinen Hintergrund eingehen.

Ich bin psychisch krank. Begonnen hat es in meiner Kindheit, inzwischen ist es chronisch und hat mir den Status „voll erwerbsgemindert“ beschert.

Bereits vor einigen Jahren begann ich damit, öffentlich über meine Depressionen und Panikattacken zu berichten.

Für mich waren diese beiden Diagnosen „öffentlichkeitstauglich“. Ich wusste, dass viele Menschen davon betroffen sind oder Betroffene kennen und durch diese wachsende Bekanntheit auch die Stigmatisierung abgeschwächt war, wenn auch nicht vollständig verschwunden.

Mit anderen Worten: Wir sind in Deutschland mittlerweile so weit, dass Angstpatienten und Depressive meist nicht mehr als „verrückt“ oder „abnormal“ wahrgenommen werden, auch wenn es natürlich weiterhin viele Vorurteile gibt. Dennoch fühlte ich mich einigermaßen sicher dabei, mich ehrlich dazu zu bekennen und zu äußern.

Womit ich mich allerdings überhaupt nicht sicher fühlte, war, meine Borderline-Diagnose öffentlich zu machen. Das steht nämlich auf einem komplett anderen Blatt.

Die Borderline Persönlichkeitsstörung ist weniger bekannt und die meisten Menschen wissen entweder gar nichts darüber oder halten alle Borderline-Betroffenen für manipulative, aggressive Monster, die sich selbst die Arme aufschlitzen, um ihren Willen zu bekommen.

Und mit diesem haarsträubenden Klischee, das übrigens nur auf einen Teil der Betroffenen zutrifft, wollte ich natürlich nicht in Verbindung gebracht werden.

Erst im Januar 2024, neun Jahre nach meiner offiziellen Diagnose (auf die ich übrigens, trotz eigenen Verdachts, zehn Jahre warten musste, weil ich mit meiner introvertierten, stillen Ausprägung bei den Diagnostiker*innen ständig durchs Raster gefallen bin) hatte ich endlich den Mut, Farbe zu bekennen und mich diesbezüglich zu „outen“.

Bis zu diesem Schritt war es aber ein langer, steiniger Weg. Ein Weg voller Zweifel, Tränen und Kämpfe mit meinen inneren Dämonen.

Habe ich diesen Schritt jemals bereut? Eindeutig nein.

Warum ich mich gegen den Rat von Marketing-Gurus entschied

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, habe ich es erst vor ein paar Monaten wieder in einem Podcast gehört. Ein erfolgreicher Unternehmer betonte mit Nachdruck, dass man bloß keine negativen Details über sich verraten solle, denn das schade dem Geschäft.

Einzige Ausnahme: Man hat die negative Situation bereits überstanden und etwas daraus gelernt.

Aha! Interessant.

Das gab mir erst mal zu denken. Und zahlreiche schlaflose Nächte und durchgrübelte Tage später, kam ich schließlich zu einer Erkenntnis.

Im Folgenden verrate ich dir die drei wichtigsten Beweggründe, warum ich mich über die Marketing-Gurus diesbezüglich hinwegsetze. Und das, obwohl ich damit riskiere, weniger Einnahmen zu erzielen.

Mehr Authentizität im Internet

Vor ein paar Monaten las ich ein Buch der Influencerin Marie Luise Ritter. Darin stellt die Autorin die Behauptung auf, dass es authentisch sei, wenn man im Internet nur über Positives berichte und sich von seiner Schokoladenseite zeige.

Meine Meinung dazu?

Nun, es mag Menschen geben, die in ihrem Leben so gesund, glücklich und erfüllt sind, dass es sich für sie vollkommen authentisch anfühlt, im Internet nur Regenbögen zu pupsen (entschuldige die Wortwahl).

Dennoch bin ich überzeugt, dass das auf die meisten Menschen eben nicht zutrifft. Die meisten Menschen haben irgendwelche Kämpfe auszufechten, seien es gesundheitliche, familiäre, berufliche oder etwas ganz anderes.

Muss man das im Internet verbreiten? Nein, muss man nicht.

Aber manchmal ist es eine Befreiung, eine Erleichterung, wenn man zu etwas steht, das von der Allgemeinheit als etwas „Negatives“ betrachtet wird, anstatt sich ständig zu verstecken und zu verstellen.

Und das ist der Grund, warum ich mich bewusst dazu entschieden habe, über meine psychischen Erkrankungen zu sprechen. Ich würde eine Menge an Authentizität einbüßen, wenn ich es nicht täte.

Meine Erkrankungen sind chronisch, das heißt, sie gehen nicht einfach wieder weg. Sie völlig auszuklammern, würde dazu führen, dass ich mich über fast nichts mehr offen äußern könnte, konstant auf der Hut sein und lügen müsste.

Und mal ehrlich, das ist doch viel anstrengender, als einfach die Katze aus dem Sack zu lassen, oder?

Erfahrungen von Betroffenen sind wichtig

Natürlich verfolge ich mit diesen Postings auch noch eine andere Mission. Ich möchte anderen Betroffenen Mut machen, zeigen, dass sie nicht alleine sind. Das ist nämlich enorm viel wert.

Wenn wir im Internet psychische Krankheiten googeln, stoßen wir auf viele Seiten, die von Fachleuten geschrieben wurden. Diese sind informativ, keine Frage. Aber die Autor*innen dieser Texte wissen meist nicht, wie es sich anfühlt. Sie schreiben über etwas, das sie studiert und nicht über etwas, das sie selbst erlebt haben.

Dementsprechend sachlich und kalt sind die Berichte häufig. Sie informieren, aber sie trösten nicht. Und sie geben nicht dieses Gefühl, wirklich verstanden zu werden, das essenziell ist, wenn man an einer (psychischen) Krankheit leidet.

Ebendarum ist es so wichtig, dass Betroffene sich trauen, darüber ihre Erfahrungen zu berichten. Und eben darum tue ich, was ich tue.

Was will ich eigentlich?

Die wichtigste Frage, die ich mir hierbei gestellt habe und die schlussendlich ausschlaggebend für meine Entscheidung war, war jedoch: Was will ich eigentlich?

Die Aussage dieses erfolgreichen Unternehmers, den ich in beruflicher Hinsicht äußerst inspirierend finde, hat mich doch ziemlich ins Wanken gebracht.

Was, wenn jetzt nie wieder jemand etwas von mir kauft oder mein Buch unterstützt?

Dann habe ich mich mit dem Content dieses Unternehmers etwas genauer auseinandergesetzt.

Er erzählt öffentlich davon, wie erfüllend er es finde, dass er jetzt reich genug sei, Cocktails schlürfend vom Strand in Thailand aus zu arbeiten, wann immer er Lust dazu hat. Er erzählt von seinem tollen Team, das er sich aufgebaut hat und von seinem riesigen Büro, das er sich jetzt endlich leisten kann.

Wenn das die Träume dieses Unternehmers waren und ihn solche Dinge glücklich machen und erfüllen, dann hat er alles richtig gemacht. Und ja, dann war es sicher gut und hilfreich, nicht über Negatives öffentlich zu sprechen, sonst wäre er jetzt kein Millionär. Sehe ich ein.

Allerdings war das nie mein Traum. Ich habe nie davon geträumt, am Strand von Thailand zu arbeiten oder über ein fettes Bankkonto zu verfügen. Ich habe auch nie davon geträumt, ein Team zu leiten oder ein riesiges Büro zu haben. Okay, Letzteres wäre vielleicht ganz nett, aber es ist ein „nice to have“, kein Traum, der unbedingt erfüllt sein muss, damit ich glücklich bin.

Was macht mich wirklich glücklich? Wovon träume ich wirklich? Was brauche ich, um mich erfüllt zu fühlen?

Die Antwort mag abgedroschen klingen, aber mein Traum war es schon immer, die Welt zu verändern und etwas zu hinterlassen, was der Welt nützt und was anderen Menschen hilft, ein besseres Leben zu führen.

Es ist mir egal, wenn ich den Rest meines Lebens in meiner winzigen 2-Zimmer-Wohnung verbringen muss. Ich fühle mich wohl hier. Es ist mir auch egal, wenn mein Büro gleichzeitig mein Schlafzimmer oder der Küchentisch ist und ich alleine arbeite, ohne Team (ich bin ohnehin eher eine Einzelgängerin).

Thailand ist sicher ein schönes Land, aber erstens kann ich mit meinen Erkrankungen ohnehin nicht so weit reisen und zweitens könnte ich mich dort nicht konzentrieren. Ich brauche ein kleines Zimmer, wo ich die Tür schließen kann und alleine bin. Sonst würden meine hochsensiblen Sinne Amok laufen.

Ich habe also begriffen: Dieser Lifestyle, den den Unternehmer „bewirbt“, würde mich gar nicht erfüllen. Was mich erfüllen würde, ist, vom Schreiben leben zu können. Nicht von der Hand in den Mund zu leben zu müssen und mir gelegentlich etwas gönnen zu können. Aber Millionen auf dem Konto sind dafür nicht nötig.

Und gleichzeitig erfüllt es mich, anderen Betroffenen mit meinen Erfahrungen helfen zu können, ihnen das Gefühl zu geben, verstanden zu werden und nicht alleine zu sein. Das ist der Grund, warum ich für Introvertierte und Hochsensible schreibe und es ist auch der Grund, warum immer wieder das Thema Mental Health seine Erwähnung in meinen Texten findet.

Und nein, ich tue das nicht nur aus reiner Nächstenliebe, so heilig bin ich dann doch nicht. Ich tue es auch, weil es all dem Leid und der Dunkelheit, die ich durchlebt habe und noch immer durchlebe, einen Sinn gibt. Und das ist etwas sehr Kraftspendendes.

Eiserne Regel: Keine reinen „Jammerposts“

Wenn ich über Mental Health schreibe, habe ich aber eine eiserne Regel: Ich schreibe keine reinen „Jammerposts“.

Was meine ich damit?

Ja, manche meiner Texte, insbesondere auf Social Media, können sehr düster sein. Aber ich achte peinlich genau darauf, dass meine Posts nicht ausschließlich darauf ausgelegt sind, mich über mein Leben zu beklagen.

Mir ist es wichtig, dass ich immer einen positiven Aspekt reinbringe. Einen Hoffnungsschimmer. Und wenn es mal keinen gibt, versuche ich zumindest, relativ neutral über meine Gefühle zu berichten.

Denn ich schreibe diese Texte nicht, um andere Menschen runterzuziehen. Das ist nicht Sinn und Zweck meiner Arbeit. Ich tue es, um Verbindung zu schaffen und Außenstehenden einen Eindruck davon zu vermitteln, wie es sich anfühlt.

Wie reagieren die Menschen darauf?

Nun fragst du dich vielleicht: Ist ja alles recht und schön, Mim, aber wie reagieren die Leute denn darauf, wenn du öffentlich über deine psychischen Erkrankungen sprichst? Und ist es überhaupt „sicher“, das zu tun?


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Im folgenden Abschnitt möchte ich dir meine bisherigen Erfahrungen verraten. Bitte beachte, dass ich hier ausschließlich über die Reaktionen von Fremden oder flüchtigen Bekannten aus dem Internet spreche. Für Angehörige und Freund*innen gelten natürlich andere Regeln.

Kommentare und Feedback

Die meisten Kommentare und Nachrichten, die ich auf solche Postings und Blogartikel erhalte, sind positiv.

Häufig „outen“ sich andere Betroffene bei mir, sagen, dass sie bereits in einer ähnlichen Situation waren oder mein Text ihnen sogar geholfen hat, sich selbst besser zu verstehen.

Dann gibt es Menschen, die selbst meist nicht betroffen sind, aber mich für meinen Mut loben, darüber zu sprechen. Das weiß ich sehr zu schätzen und es schmeichelt mir auch ein bisschen, dennoch kostet es mich häufig nicht so viel Mut, wie diese Leute glauben. Es ist für mich Alltag und ich bin so gewöhnt daran, über diese Themen zu sprechen, dass es für mich ganz natürlich ist.

Andere setzen eher auf unterstützende, tröstende Worte. Versuchen, mir Mut zu machen. Das ist gut gemeint, aber nicht immer gut umgesetzt. Man kann hierbei viel falsch machen, ohne es zu wollen.

Deshalb hier ein paar Tipps:

  • Bitte keine ungefragten Ratschläge. Ich habe diese Krankheiten nicht erst seit gestern und weiß, wie ich damit umgehen muss und was mir hilft. Es gibt aber immer wieder Menschen, die glauben, es besser zu wissen, selbst wenn sie mich, meine genauen Diagnosen, meine Vergangenheit und meine Lebensumstände gar nicht kennen. Das ist, als wollten sie dem Chefkoch erklären, wie er zu kochen hat. Nicht gut. Gar nicht gut. Wenn ich einen Rat möchte, dann frage ich danach. Ansonsten, bitte verkneifen. Außer Buchtipps oder so etwas, das ist natürlich immer willkommen.
  • Sag niemals, NIEMALS, dass eine psychische Erkrankung durch das richtige Mindset oder positives Denken geheilt werden könnte. Denn das ist einfach falsch. Du würdest das ja auch nicht zu jemandem sagen, der das Bein gebrochen hat, oder? Psychische Krankheiten sind Krankheiten und keine schlechte Laune oder Charakterschwäche.
  • Pass auf mit leicht dahingesagten Aufmunterungsversuchen. Ich weiß, es ist nur gut gemeint, aber Tipps wie: „Kopf hoch, morgen sieht die Welt schon wieder anders aus.“ gibt Betroffenen das Gefühl, dass sie überhaupt nicht verstanden und ernst genommen werden (und sie haben damit recht). Nochmal: Psychische Erkrankungen sind Krankheiten und keine schlechte Laune. Und sie dauern. Manchmal nur ein paar Wochen, häufig aber Monate oder sogar Jahre. Betroffene wissen das. Und Betroffene leiden und sehen kein Ende von diesem Leiden, das ist Teil der Erkrankung.

Wie kannst du nun aber reagieren, wenn du selbst nicht betroffen bist, aber einer betroffenen Person Mut spenden möchtest? Mein Tipp: Setze auf Empathie. Hier ein paar Sätze, über die ich mich immer freue:

  • „Ich wünsche dir viel Kraft.“
  • „Ich wünsche dir, dass es dir bald wieder besser geht.“
  • „Gib nicht auf, auch wenn es gerade schwer ist.“
  • „Fühl dich gedrückt.“ (Mag nicht jede*r, aber für mich ist es sehr tröstend.)

Ich bin mir sicher, wenn du dich ein bisschen damit auseinandersetzt, fällt dir noch etwas Besseres ein. Vielleicht hilft es dir auch, dir vorzustellen, die betroffene Person hätte eine körperliche Erkrankung, z. B. Krebs. Was würdest du ihr sagen? Sicher nicht „Du musst an deinem negativen Mindset arbeiten, dann geht’s dir bald wieder besser!“, oder? 😉

Menschen suchen Kontakt und meinen Rat

Häufig passiert es mir auch, dass Menschen meine Texte über Mental Health lesen und mich im Anschluss kontaktieren und um Rat fragen.

Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert.

Zum einen ehrt es mich sehr, wenn andere mich als so vertrauenswürdig erachten, dass sie mich um meinen Rat fragen und ich helfe immer gerne weiter, sofern ich kann.

Dennoch bin ich natürlich „nur“ eine Betroffene und keine Ärztin oder Psychotherapeutin. Ich kann also nur aus meiner eigenen, langjährigen Erfahrung berichten, aber ich kann weder Diagnosen stellen, noch irgendwelche Therapien ersetzen.

Mental Health zudem ist ein breites Feld und ich kenne mich hauptsächlich nur mit meinen eigenen Diagnosen aus. Darin aber in der Tiefe.

Abgesehen davon, stecke ich selbst noch „mittendrin“. Ich kann also keinen ultimativen Tipp zur Heilung geben, wenn ich den hätte, wäre ich längst gesund. (Diesen Tipp können aber auch keine Fachleute geben, denn jeder Mensch ist individuell und nicht jede Lösungsstrategie passt auf jeden Menschen.)

Dennoch sind Fragen und Austausch natürlich immer willkommen, entweder direkt hier in den Kommentaren oder nicht-öffentlich per E-Mail.

Ich habe zwar leider nicht für jedes individuelle Problem eine passende Lösung parat, aber sofern ich helfen kann, tue ich das gerne.

Menschen bieten ihre Hilfe an

Eine weitere Reaktion, die immer wieder kommt, ist, dass Menschen mir ihre Hilfe anbieten.

Ich schätze das aufrichtig und es tut gut, das zu hören. Allerdings nehme ich diese Angebote von Fremden meist nicht an, weil ich diese Leute schlichtweg nicht kenne und daher die nötige Vertrauensbasis fehlt.

Ich bedanke mich daher stets dafür, lehne aber höflich ab und normalerweise wird das dann auch akzeptiert.

Es gab jedoch auch schon Fälle, in denen das nicht akzeptiert wurde und die Menschen dann beleidigt waren oder versucht haben, mir weiterhin ihre Hilfe aufzudrängen und mich sogar regelrecht belästigten.

Das war natürlich sehr belastend für mich und ich war irgendwann gezwungen, bestimmt und nicht mehr ganz so nett einen Riegel vorzuschieben. Einfach, um mich selbst zu schützen.

Solche Situationen lassen sich bisher aber an einer Hand abzählen.

Lohnen sich diese „negativen“ Postings?

Als ich für die in der Einleitung genannte wissenschaftliche Studie zum Thema „negative Postings auf Social Media“ interviewt wurde, kam die Frage auf, ob sich diese Postings denn für mich lohnen würden.

Da kommt es natürlich immer darauf an, was man als „Lohn“ betrachtet.

Wenn man damit meint, ob ich dadurch über Nacht zur Millionärin geworden bin, dann hat es sich überhaupt nicht gelohnt. Wie bereits oben erwähnt: Wer anstrebt, reich zu werden und in Windeseile die Karriereleiter hinaufzuklettern, dem empfehle ich eher nicht, über solche Dinge öffentlich zu sprechen.

Aber das war und ist nie mein Ziel. Was ich anstrebe und was mich wahrlich erfüllt, sind ganz andere Dinge. Und diesbezüglich kann ich die Frage eindeutig mit „Ja, es hat sich gelohnt!“ beantworten.

Lass mich näher erläutern, was ich genau damit meine.

Von Sofa zu Sofa: Betroffene erreichen

Für mich sind diese Posts, egal ob auf dem Blog oder Social Media, eine gewisse Art des (stillen) Aktivismus. Ohne aufdringlich oder extrem zu sein, aber dennoch direkt und ehrlich.

Online-Aktivismus gewinnt in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung und er hat viele Vorteile, insbesondere für Menschen, die chronisch krank und nicht sehr mobil sind. Also, quasi Aktivismus vom Sofa aus, aber nicht aus Faulheit, sondern aus Mangel an Optionen.

Und das Gute daran: Er erreicht in diesem Fall auch genau die Menschen, die er erreichen soll. Menschen, die (schwer) psychisch krank sind, nutzen ihr Smartphone besonders häufig.

Alleine schon deshalb, weil sie oft so energielos sind, dass stundenlanges Scrollen durch Social Media oder Googeln nach Informationen zu ihren Erkrankungen das Einzige ist, was sie schaffen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Und wenn meine Beiträge die Betroffenen auf diesem Wege erreichen, dann hat es sich für mich definitiv schon gelohnt.

Psychische Erkrankungen werden „normalisiert“

Hinzu kommt natürlich, dass durch diese Beiträge auch die Aufmerksamkeit der Internet-Nutzer*innen auf Mental Health gelenkt wird. Und je mehr Aufmerksamkeit ein Thema bekommt, je mehr es in unseren Köpfen präsent ist, desto mehr können auch Vorurteile und Stigmata abgebaut werden.

Psychische Erkrankungen sind genauso „normal“ wie körperliche Erkrankungen und gerade während der Corona-Pandemie hat die Zahl an psychisch erkrankten Menschen stark zugenommen.

Mein Ziel ist es, zu zeigen, dass eine psychische Erkrankung weder automatisch bedeutet, dass man „verrückt“ ist, noch dass es sich dabei um eine Charakterschwäche oder schlechte Laune handelt.

Und ich weiß, dass ich da schon Menschen zum Umdenken anregen konnte – was für mich ein weiteres Indiz dafür ist, dass sich mein Einsatz lohnt.

Schöner Nebeneffekt: Reichweite wächst

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich meine psychischen Erkrankungen nicht deshalb öffentlich mache, weil ich dadurch Klicks oder viel Reichweite bekommen möchte.

Dennoch ist mir aufgefallen, dass meine Beiträge zu diesen Themen besonders gefragt sind. Sowohl mein Artikel über Depressionen bei Introvertierten, als auch der über stilles Borderline gehören zu den Artikeln, die am meisten aufgerufen wurden.

Letzterer hat sogar geradezu einen Senkrechtstart hingelegt, womit ich überhaupt nicht gerechnet hätte. Okay, mir war bewusst, dass es zu diesem Thema einen hohen Bedarf an deutschsprachigen Informationen gibt, aber auch das Feedback, das ich dazu erhalten habe, war überwältigend.

Auch auf Social Media beobachte ich, dass Beiträge mit Mental-Health-Bezug oftmals mehr kommentiert werden, als „gewöhnliche“ Posts. Und alleine an dem Tag, an dem ich auf Threads meine Borderline-Erkrankung öffentlich gemacht habe, habe ich dort über 30 neue Follower gewonnen. Hauptsächlich andere Betroffene, also genau die Menschen, die ich damit erreichen wollte.

Ich sage noch einmal: Ich mache das nicht öffentlich, um mit Zahlen anzugeben oder weil ich überzeugt bin, dass Leute das Thema ausnutzen sollten, um Reichweite zu gewinnen. Mitnichten!

Ich führe diese Punkte nur an, um aufzuzeigen, dass ein großes Interesse an persönlichen Erfahrungen von Betroffenen besteht, eben weil so wenige sich trauen, öffentlich darüber zu reden.

Und zwar in einer reflektierten Art und Weise und nicht nur, weil sie Frust ablassen oder von anderen Leuten bemitleidet werden wollen (wobei dies teilweise auch seine Berechtigung hat, aber es sind nicht meine eigenen Beweggründe).

Man könnte also anführen, dass es sich auch für die Reichweite lohnt, wobei das wirklich nur ein netter Nebeneffekt ist und nicht primär zum Ziel gemacht werden sollte.

Soll ich jetzt auch meine Psyche offenlegen?

Abschließend ein Hinweis, der mir ganz, ganz wichtig ist: Ich habe diesen Artikel nicht geschrieben, weil ich meine, dass alle psychisch Kranken ihre Diagnosen in die Welt posaunen sollen.

Ob jemand öffentlich darüber sprechen möchte oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung, die nur nach reiflicher Überlegung getroffen werden sollte. Aber vielleicht hilft dieser Artikel bei dieser Entscheidung, wie auch immer sie aussehen mag.

Deshalb: Wenn du dich nicht stabil genug fühlst, um mit den Risiken umzugehen und du dich dagegen entscheidest, dann ist das nichts Schlechtes und kein Grund dafür, dich schuldig zu fühlen.

Das Wichtigste ist, dass du auf dich achtest und nichts tust, womit du dich unwohl fühlst. Und wenn ein öffentliches „Outing“ deine Genesung behindern oder dir nicht guttun würde, dann ist es dein gutes Recht, es privat zu halten (und auch dann, wenn du einfach keine Lust drauf hast.)

Aber wenn du das Gefühl hast, dass es dir guttun würde, öffentlich darüber zu schreiben oder zu sprechen und du dich stabil genug fühlst, mit eventuellen Konsequenzen umzugehen, dann kann ich dich nur ermutigen, es langsam, Schritt für Schritt zu versuchen.

Du musst nicht sofort mit der genauen Diagnose herausplatzen. Du kannst auch erst mal nur subtil in deinen Texten oder anderen Inhalten darauf hinweisen. Wir müssen nicht immer den Sprung ins kalte Wasser wagen. Langsam ins Wasser zu steigen, sich erst mal richtig nass zu machen und erst dann loszuschwimmen ist meist viel nachhaltiger, sicherer und gesünder.

„Mehr Realität im Internet“ hat viele Facetten

Im Übrigen muss sich „mehr Realität im Internet“ nicht nur auf psychische Erkrankungen beziehen. Wir alle erleben negative Dinge in unserem Leben, über die wir offene und ehrliche Texte schreiben oder anderen Content erstellen können, um Menschen in derselben Situation Mut zu machen.

Ein besonders tolles Beispiel hierfür ist die liebe Steffi Fleischer, die auf ihrem Blog über die Hintergründe berichtet, die sie dazu gebracht haben, ihr Onlinebusiness aufzugeben.

Bevor du wegklickst …

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Ob Mental Health, Introversion, Hochsensibilität – hier findest du Stoff zum Weiterlesen. Von mir getestet und für gut befunden.

Her mit den Buchtipps!

4 Kommentare

  1. Danke für deinen Artikel ✨ Man muss sich immer fragen was die eigenen Ziele sind. Leider gibt es inzwischen zu viele Unternehmer, die einem solchen Sachen einreden wollen. Ich finde es wichtig authentisch zu sein und würde gerade deswegen Leute unterstützen.
    Ich hatte auch lange das Problem und komme langsam auf meinen Weg. Dein Artikel hat mir dazu noch mehr Motivation gegeben und mir gezeigt, dass es nicht nur mir so geht. Danke ♥️

    1. Liebe Jenny,

      vielen Dank für deinen lieben Kommentar.

      Ja, du hast recht, es kommt immer darauf an, was die eigenen Ziele und Bedürfnisse sind. Und ich halte es da mit meinem früheren Claim: Nie mehr verbiegen! 🙂

      Es freut mich, dass du ebenfalls auf diesen Weg kommst und mein Artikel dich ermutigen und motivieren konnte. Das ist echt super und ich bin mir sicher, dass auch du viel in der Welt bewegen kannst. 💪

      Ganz liebe Grüße
      Mim

  2. Ich mag an Deinen Blogbeiträgen, dass sie immer eine gute Länge und Tiefe haben. Du schaffst es, weder zu oberflächlich zu sein, noch zu langweilen. Danke fürs Verlinken meines Artikels.

    Ich sehe das wie Du: an jeder Ecke wird über Diversität geredet und die Individualität benannt, aber wehe, man passt nicht ins Weltbild des idealen 0815-Menschen! Das muss sich ändern! Verrückt sind nicht die (psychisch) kranken Menschen, sondern eine Gesellschaft, die anders-sein tabuisiert.

    1. Oh, vielen Dank, das ist aber ein liebes Kompliment, Steffi. 💛 Da werde ich ja ganz verlegen …

      Und klar, ich fand deinen Artikel so mutig und stark, den MUSSTE ich an dieser Stelle einfach verlinken.

      Ja, ganz genau. Viele Menschen sind leider sehr inkonsequent und sprechen zwar von Diversität, Individualität, Toleranz und dergleichen, aber wenn es darauf ankommt, diese Werte auch unter Beweis zu stellen, ziehen sie den Schwanz ein. Das finde ich nicht nur schade, sondern sogar richtig schlimm, mitunter sogar gefährlich.

      Deshalb bin ich froh, dass es Menschen wie dich und mich gibt, die dieser Entwicklung etwas entgegensetzen.

      Danke dir für deine Worte.

      Alles Liebe,
      Mim ✌️

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