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Ein Gastartikel von Gül Dükan (Forum der Gesundheit)
Angst ist eine universelle Erfahrung – jeder kennt sie. Doch laut dem Psychoanalytiker Fritz Riemann gibt es vier grundlegende Ängste, die unsere Persönlichkeit formen. In seinem Buch Grundformen der Angst beschreibt er vier Persönlichkeitstypen, die aus diesen Ängsten hervorgehen. Keine Sorge, das ist kein starres Schubladendenken, sondern eher eine spannende Perspektive darauf, warum wir so handeln, wie wir handeln – ob im Alltag, bei der Arbeit oder bei Familie und Freunden.
Wie ist dieses Werk entstanden?
Fritz Riemann veröffentlichte Grundformen der Angst * im Jahr 1961. Er war Psychoanalytiker und Mitbegründer des Instituts für psychologische Forschung und Psychotherapie in München. Das Buch basiert auf seinen jahrzehntelangen Erfahrungen in der therapeutischen Praxis. Riemann betrachtete Angst nicht nur als etwas Negatives, sondern als eine grundlegende Kraft, die unser Verhalten formt. Sein Werk steht im Kontext der tiefenpsychologischen und psychoanalytischen Theorien von Freud und Jung, geht jedoch darüber hinaus, indem es Angst als gestaltendes Prinzip menschlicher Entwicklung beschreibt.
Die vier Grundformen der Angst
Riemann unterscheidet vier grundlegende Ängste, die jeweils eine andere Herausforderung des menschlichen Daseins widerspiegeln:
- Die Angst vor der Hingabe: Die Furcht, sich zu verlieren und die eigene Individualität aufzugeben.
- Die Angst vor der Selbstwerdung: Die Sorge, sich von anderen zu isolieren und einsam zu sein.
- Die Angst vor der Veränderung: Die Angst vor Chaos, Unsicherheit und Kontrollverlust.
- Die Angst vor der Notwendigkeit: Die Furcht, sich festlegen zu müssen und keine Freiheit mehr zu haben.
Diese Ängste sind keine starren Kategorien, sondern existieren in jedem Menschen in unterschiedlicher Ausprägung.
1. Der schizoide Typ – Die Angst vor der Hingabe
Menschen mit dieser Grundangst fürchten sich davor, sich zu sehr auf andere einzulassen und ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Sie brauchen viel Raum für sich, sind oft kreativ, eigenständig und genießen es, in ihrer eigenen Gedankenwelt zu sein. Zwischenmenschliche Nähe kann ihnen schnell zu viel werden, weshalb sie als distanziert oder unnahbar wahrgenommen werden.
👉 Moderne Welt: In Zeiten von Remote Work, Individualismus und Digital Detox könnte dieser Typus leichter zurechtkommen als früher. Doch der Druck zur sozialen Vernetzung (Stichwort: Social Media) kann für sie herausfordernd sein.
2. Der depressive Typ – Die Angst vor der Selbstwerdung
Dieser Typ fürchtet sich davor, allein gelassen zu werden oder andere zu enttäuschen. Er ist oft hilfsbereit, warmherzig und empathisch, tendiert aber dazu, sich selbst zurückzunehmen. Bestätigung von außen ist wichtig, was ihn anfällig für Selbstzweifel macht.
👉 Moderne Welt: In einer Leistungsgesellschaft, die Eigeninitiative und Selbstverwirklichung predigt, kann es für diesen Typen schwierig sein, seine Grenzen zu setzen. Gleichzeitig bieten Trends wie Achtsamkeit und Mental Health Awareness wertvolle Werkzeuge für einen gesunden Umgang mit diesen Ängsten.
3. Der zwanghafte Typ – Die Angst vor der Veränderung
Hier haben wir, die Perfektionisten, die Kontrolle lieben. Diese Menschen fühlen sich in festen Strukturen wohl, sind verlässlich und gründlich – aber oft auch übermäßig pflichtbewusst und wenig spontan. Ihr größtes Horrorszenario? Chaos und Unvorhersehbarkeit.
👉 Moderne Welt: In einer sich rasant verändernden Welt mit disruptiven Technologien kann es für diesen Typus schwierig sein, loszulassen. Gleichzeitig sind sie in Berufen, die Präzision erfordern (wie Buchhaltung oder IT-Sicherheit), unverzichtbar.
4. Der hysterische Typ – Die Angst vor der Notwendigkeit
Menschen mit dieser Grundangst haben Angst davor, festgelegt und eingeschränkt zu werden. Sie suchen Abwechslung, Abenteuer und intensive Erlebnisse. Oft sind sie charismatisch, begeisterungsfähig und kontaktfreudig – aber auch sprunghaft und ungeduldig.
👉 Moderne Welt: In einer Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten (Reisen, Freelancing, ständig neue Trends) können sie sich voll entfalten. Allerdings kann die ständige Verfügbarkeit neuer Reize auch dazu führen, dass sie sich noch weniger auf etwas Beständiges einlassen.
Was bedeutet das für uns heute?
Riemanns Typologie ist kein starres System, sondern ein Modell, um sich selbst besser zu verstehen. In der modernen Welt können sich die Ängste je nach Umfeld und Herausforderungen unterschiedlich ausprägen. Während Individualismus und Selbstverwirklichung gefördert werden, können soziale Medien oder gesellschaftlicher Druck bestimmte Ängste verstärken.
Die gute Nachricht? Wenn wir unsere Grundangst kennen, können wir bewusster mit ihr umgehen. Die Kenntnis über unsere Ängste verrät uns außerdem, was unsere Stärken sind. Denn sie spiegeln nicht nur unsere Schwächen wider.
Zum Beispiel erfahren wir auch viel darüber, welche Tätigkeiten und Berufe zu unserem Profil gut passen. Zwanghafte Typen sind sehr präzise und genau, weswegen sie in sehr vielen Berufen gebraucht werden, wo genau dies erforderlich ist. Schizoide können sehr gut allein arbeiten und brauchen nicht viel Hilfe vom Team, was auch eine Entlastung sein kann. Depressive Typen sind sehr wichtig, weil sie die Beziehungen und das soziale Leben stärken. Hysterische Typen sorgen häufig für gute Laune und Spaß oder zeigen ganz neue Perspektiven auf.
Doch am Ende geht es nicht darum, sich in eine Schublade zu stecken, sondern zu verstehen, welche Mechanismen uns antreiben – und so auch die anderen Menschen um uns herum zu verstehen und sie nicht schon von vornherein zu verurteilen. Schließlich handeln wir Individuen sehr häufig, wenn auch unbewusst, aus unseren Ängsten heraus – das ist etwas Kollektives, was uns trotz Unterschiedlichkeit verbindet. Ein Test zu Grundformen der Angst nach Riemann kann helfen, herauszufinden, zu welchen Anteilen die Ängste bei sich selbst ausgeprägt sind.
Wer hat’s geschrieben?
Hallo, ich bin Gül und betreibe mit zwei anderen tollen Autor/innen das Gesundheitsportal Forum der Gesundheit.

Ich bin promovierte Kulturwissenschaftlerin und begeistere mich vor allem für Psychologie.
Doch auch allgemein Gesundheit ist ein Thema, das mich schon sehr lange begleitet, denn ich bin auch examinierte Pflegehelferin.
Mit unserem Portal wollen wir für mehr Aufklärung über mentale und körperliche Gesundheit sorgen und gleichzeitig auch viele themenverwandte und interessante Beiträge vorstellen.
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